Zeichnungen
11.12.1976, 1976, Bleistiftzeichnung, 85 x 60 cm
3.6.87, 1987, Bleistiftzeichnung, 75 x 56 cm
Haeuser, 1991, Bleistiftzeichnung, 75 x 56 cm
10.1.77, 1977, Bleistiftzeichnung, 56 x 56 cm
29.6.76, 1976, Bleistiftzeichnung, 56 x 56 cm
Irdisch-Unter, 1976, Bleistiftzeichnung,65 x 56 cm
Verbunden, 1976, Bleistiftzeichnung, 65 x 56 cm
6.5.77, 1977, Bleistiftzeichnung, 76 x 56 cm
15.7.76, Bleistifzeichung 75 x 56 cm
21.7.76, Bleistifzeichnung
18.12.84, Bleistifzeichung 75 x 56 cm
2.11.84, Bleistifzeichung 75 x 56 cm
28.8.76, Bleistifzeichung 75 x 56 cm
1.11.77, Bleistifzeichung 75 x 56 cm
28.2.78, Bleistifzeichung 75 x 56 cm
Tagebilder
Dr. Werner Doede
Das Phänomen Zeichnen sei wie Rechnen und Schreiben aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken, notierte Alfred Hrdlicka im Vorwort des originellen Ausstellungskataloges „Zeichnen heute“ der Wiener Secession, den er 1971 zusammengestellt hat. Man las den Satz schon damals mit Bedenken. Denn: wer schreibt noch, ohne zu tippen, wer rechnet noch, ohne Knöpfe zu drücken ? Aus Hand-Werk ist bestenfalls Fingerfertigkeit geworden.
Man hört immer wieder einmal von der „Auflösung des Werkbegriffs“, andererseits ist das „Kreative“ und seine Erweckung im Gespräch, besser gesagt in der anhaltenden Diskussion zahlloser monologisierender Partner, die Hände können dabei mühelos aus dem Spiel bleiben. Längst hat sich das Schreiben ins Zeichnen gerettet. Vor fast hundert Jahren (im Juni 1884, als er gerade in Paris war) hielt Max Klinger, der recht trockene naturalistische Zeichner, einen Brief von Adolph Menzel, dem Sachlichkeitsfanatiker, in der Hand und bricht - möglich, daß er ihn noch gar nicht gelesen hatte - in Bewunderung aus: „Als Schrift ist der Brief ein Bild!“ Klinger, manueller Virtuose, aber auch früher Surrealist, entdeckt eine vorweggenommene action painting. Seither sind wir damit beschäftigt, Kunstwerke auch lesen zu lernen.
Eine Folge von zeitlich zusammenhängenden Zeichnungen auf Flächen identischer Formate, wie sie hier vorliegt, kann tagebuchartigen Charakter annehmen und damit den Zugang aus graphologischer Sicht
erleichtern, in der Beobachtung der Lineamente, in dem Wandel ihres Duktus, der wachsenden Vielfalt ihrer Elemente helfen, einer persönlichen bildnerischen Aussage und nicht zuletzt den Qualitäten der Blätter als Einzelkunstwerke näherzukommen. Wie sich aus einem geschlossenen dunklen Grund, der seine innere Unruhe nicht verbirgt, eine Spaltung vorbereitet, wie unter heftig bewegenden Strichlagen das Raster eines starren Gitters wächst und in Gemauertes transformiert - dies alles faßt die einleitenden Blätter spürbar zu einer Gruppe zusammen. Es folgen sperrige Häuserwände, Schranken, die sich in leere Grundrißkonturen verwandeln; eine definitive Teilung bereitet sich vor, an der die weißen Flächenpläne, die jetzt erscheinen, ihren Anteil gewinnen; in ihnen nehmen nun auch Menschengruppen Partei, indem sie sich isoliert gegenüberstehen. Und es beginnt, von Wolkenschwaden begleitet, ein vieldeutiges Drama. Diese Vieldeutigkeit ist es aber zugleich, die, über das Graphologische weit hinausgehend, dem assoziativen Betrachten eine Entscheidung abverlangt. Solche Entscheidungen mögen der Entwicklung der Abfolge die Auswahl von Einzelblättern vorziehen - der Künstler selbst hat nicht anders handeln können, als er die hier abgebildeten aus einem Vorrat von mehr als anderthalbhundert Zeichnungen herauslöste. Beides erscheint gerechtfertigt und bestätigt auf jede Weise den Rang der Handschrift.
Dieter Haist unterrichtet an der Kasseler Hochschule. Seine Spezialität ist Serigraphie, der Siebdruck. Diese neuere Technik, entfernt verwandt mit der Lithographie, hat durch die handschriftlose Flächigkeit ihrer Druckergebnisse das Gebiet der graphischen Künste erweitert und für manche modernen Formen und Kompositionen geradezu attraktiv gemacht. Wer bei der Betrachtung von Haists Zeichnungen genau zusieht, wird erkennen, daß die Spannung zwischen ausdruckstarkem Duktus der mit ganz weichem Bleistift gehandhabten Lineamente und den statischen Wand- und Mauerelementen immer vorhanden ist, wie diese unerwartet und erschreckend präzisen Gebilde bald hintergründig, bald drohend in Erscheinung treten. Solche Präzision verdankt sich dem vorbedachten Einsatz des Siebdrucks. Mag die zeitgenössische Kombination graphischer Techniken nicht mehr als ein außergewöhnliches Wagnis erscheinen, so muß dennoch immer das Ergebnis riskant bleiben. Haist kennt und nutzt seine Mittel, er hat sie in ihrer Gegensätzlichkeit untrennbar verbunden und damit in den Dienst an einer bildhaften und bewegenden künstlerischen Aussage gestellt.
Day Drawings
Dr. Werner Doede
Drawing is a phenomenon like Arithmetic and Writing, which non-existence is almost unthinkable in our society, says Alfred Hrdlicka in the preamble of the fancy exhibition catalog ``Drawing Today`` of the Vienna Secession, which he configured 1971 . At that time one had objections already. Because – who is still writing, without typing, who is still calculating without pushing buttons? Hand craft mutated to sleight of hand.
Time and again, one talks about the dissolution of the definition HANDCRAFT , while the`creative` and its origination during conversations, or better during discussions of numerous monolog partners.
Hands can easily be left aside. Long ago writing became drawing. Over one hundred years ago (in June 1884, when he was staying in Paris), Max Klinger, a quite stringent naturalistic drawer, held a letter in his hand from Adolph Menzel, a fanatic realist. Even though he might not have read the letter, he shouted out with admiration: `the script of this letter is a picture’. Klinger, a manual virtuoso and early surrealist, discovered a forestalled action painting. Since then we are busy to learn how to read work of art.
A series of chronological associated drawings on an area with identical format, as displayed here, can obtain a diary like character, and can alleviate to gain access to a graphical sight. To observe the lineament and the change of its flow, and the increasing variety of elements help to come closer to a personal,sculptural view, and the quality of the drawings as individual artwork. How a compact dark basis, that does not hide its discomposure, prepares to split. Under fiercely moving layers of line raster it grows and transforms from a fixed grid into stonewall, all this gathers the introducing sheets into one group. Bulky walls and barriers that change to empty shapes of footprints are followed by a definite split resulting in an appearing white plain. In this white plain groups of human beings are participating by facing each other. An ambiguous drama starts, accompanied by banks of clouds. It is this ambiguity which is by far exceeding the graphology view, which requires a decision during the associative observance. This decision might take precedence over developing the sequence of the individual sheets. The artist himself could not but follow, when he selected these individual drawings from a pool of over one hundred and fifty drawings. Both seems justifiable and verify the ranking of the scripts.
Dieter Haist is instructing at the College of Kassel. His specialty is the serigraphy.This newer technique, a bit related to lithograph, has expanded graphic art and actually made it attractive for modern shaping and compositions. Whoever looks at Haist’s drawings will recognize that the tension between an expressive flow of the lineaments, drawn with a soft pen, and the static wall elements is always present. These formations appear unexpected and frightening or sometimes cryptically or imminent. This precision is attributable to the use of serigraphy. May the modern combination of graphic techniques seem to be not more than a extraordinary venture. The result will always be risky. Haist knows and uses his instruments and has connected them intrinsically tied to their contrariness, and as such serving as a pictorial and touching statement.
Tagebilder
Dr. Werner Doede
Das Phänomen Zeichnen sei wie Rechnen und Schreiben aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken, notierte Alfred Hrdlicka im Vorwort des originellen Ausstellungskataloges „Zeichnen heute“ der Wiener Secession, den er 1971 zusammengestellt hat. Man las den Satz schon damals mit Bedenken. Denn: wer schreibt noch, ohne zu tippen, wer rechnet noch, ohne Knöpfe zu drücken ? Aus Hand-Werk ist bestenfalls Fingerfertigkeit geworden.
Man hört immer wieder einmal von der „Auflösung des Werkbegriffs“, andererseits ist das „Kreative“ und seine Erweckung im Gespräch, besser gesagt in der anhaltenden Diskussion zahlloser monologisierender Partner, die Hände können dabei mühelos aus dem Spiel bleiben. Längst hat sich das Schreiben ins Zeichnen gerettet. Vor fast hundert Jahren (im Juni 1884, als er gerade in Paris war) hielt Max Klinger, der recht trockene naturalistische Zeichner, einen Brief von Adolph Menzel, dem Sachlichkeitsfanatiker, in der Hand und bricht - möglich, daß er ihn noch gar nicht gelesen hatte - in Bewunderung aus: „Als Schrift ist der Brief ein Bild!“ Klinger, manueller Virtuose, aber auch früher Surrealist, entdeckt eine vorweggenommene action painting. Seither sind wir damit beschäftigt, Kunstwerke auch lesen zu lernen.
Eine Folge von zeitlich zusammenhängenden Zeichnungen auf Flächen identischer Formate, wie sie hier vorliegt, kann tagebuchartigen Charakter annehmen und damit den Zugang aus graphologischer Sicht
erleichtern, in der Beobachtung der Lineamente, in dem Wandel ihres Duktus, der wachsenden Vielfalt ihrer Elemente helfen, einer persönlichen bildnerischen Aussage und nicht zuletzt den Qualitäten der Blätter als Einzelkunstwerke näherzukommen. Wie sich aus einem geschlossenen dunklen Grund, der seine innere Unruhe nicht verbirgt, eine Spaltung vorbereitet, wie unter heftig bewegenden Strichlagen das Raster eines starren Gitters wächst und in Gemauertes transformiert - dies alles faßt die einleitenden Blätter spürbar zu einer Gruppe zusammen. Es folgen sperrige Häuserwände, Schranken, die sich in leere Grundrißkonturen verwandeln; eine definitive Teilung bereitet sich vor, an der die weißen Flächenpläne, die jetzt erscheinen, ihren Anteil gewinnen; in ihnen nehmen nun auch Menschengruppen Partei, indem sie sich isoliert gegenüberstehen. Und es beginnt, von Wolkenschwaden begleitet, ein vieldeutiges Drama. Diese Vieldeutigkeit ist es aber zugleich, die, über das Graphologische weit hinausgehend, dem assoziativen Betrachten eine Entscheidung abverlangt. Solche Entscheidungen mögen der Entwicklung der Abfolge die Auswahl von Einzelblättern vorziehen - der Künstler selbst hat nicht anders handeln können, als er die hier abgebildeten aus einem Vorrat von mehr als anderthalbhundert Zeichnungen herauslöste. Beides erscheint gerechtfertigt und bestätigt auf jede Weise den Rang der Handschrift.
Dieter Haist unterrichtet an der Kasseler Hochschule. Seine Spezialität ist Serigraphie, der Siebdruck. Diese neuere Technik, entfernt verwandt mit der Lithographie, hat durch die handschriftlose Flächigkeit ihrer Druckergebnisse das Gebiet der graphischen Künste erweitert und für manche modernen Formen und Kompositionen geradezu attraktiv gemacht. Wer bei der Betrachtung von Haists Zeichnungen genau zusieht, wird erkennen, daß die Spannung zwischen ausdruckstarkem Duktus der mit ganz weichem Bleistift gehandhabten Lineamente und den statischen Wand- und Mauerelementen immer vorhanden ist, wie diese unerwartet und erschreckend präzisen Gebilde bald hintergründig, bald drohend in Erscheinung treten. Solche Präzision verdankt sich dem vorbedachten Einsatz des Siebdrucks. Mag die zeitgenössische Kombination graphischer Techniken nicht mehr als ein außergewöhnliches Wagnis erscheinen, so muß dennoch immer das Ergebnis riskant bleiben. Haist kennt und nutzt seine Mittel, er hat sie in ihrer Gegensätzlichkeit untrennbar verbunden und damit in den Dienst an einer bildhaften und bewegenden künstlerischen Aussage gestellt.
Day Drawings
Dr. Werner Doede
Drawing is a phenomenon like Arithmetic and Writing, which non-existence is almost unthinkable in our society, says Alfred Hrdlicka in the preamble of the fancy exhibition catalog ``Drawing Today`` of the Vienna Secession, which he configured 1971 . At that time one had objections already. Because – who is still writing, without typing, who is still calculating without pushing buttons? Hand craft mutated to sleight of hand.
Time and again, one talks about the dissolution of the definition HANDCRAFT , while the`creative` and its origination during conversations, or better during discussions of numerous monolog partners.
Hands can easily be left aside. Long ago writing became drawing. Over one hundred years ago (in June 1884, when he was staying in Paris), Max Klinger, a quite stringent naturalistic drawer, held a letter in his hand from Adolph Menzel, a fanatic realist. Even though he might not have read the letter, he shouted out with admiration: `the script of this letter is a picture’. Klinger, a manual virtuoso and early surrealist, discovered a forestalled action painting. Since then we are busy to learn how to read work of art.
A series of chronological associated drawings on an area with identical format, as displayed here, can obtain a diary like character, and can alleviate to gain access to a graphical sight. To observe the lineament and the change of its flow, and the increasing variety of elements help to come closer to a personal,sculptural view, and the quality of the drawings as individual artwork. How a compact dark basis, that does not hide its discomposure, prepares to split. Under fiercely moving layers of line raster it grows and transforms from a fixed grid into stonewall, all this gathers the introducing sheets into one group. Bulky walls and barriers that change to empty shapes of footprints are followed by a definite split resulting in an appearing white plain. In this white plain groups of human beings are participating by facing each other. An ambiguous drama starts, accompanied by banks of clouds. It is this ambiguity which is by far exceeding the graphology view, which requires a decision during the associative observance. This decision might take precedence over developing the sequence of the individual sheets. The artist himself could not but follow, when he selected these individual drawings from a pool of over one hundred and fifty drawings. Both seems justifiable and verify the ranking of the scripts.
Dieter Haist is instructing at the College of Kassel. His specialty is the serigraphy.This newer technique, a bit related to lithograph, has expanded graphic art and actually made it attractive for modern shaping and compositions. Whoever looks at Haist’s drawings will recognize that the tension between an expressive flow of the lineaments, drawn with a soft pen, and the static wall elements is always present. These formations appear unexpected and frightening or sometimes cryptically or imminent. This precision is attributable to the use of serigraphy. May the modern combination of graphic techniques seem to be not more than a extraordinary venture. The result will always be risky. Haist knows and uses his instruments and has connected them intrinsically tied to their contrariness, and as such serving as a pictorial and touching statement.